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Seite 46 / Mittwoch, 22. Dezember 2004, Nr. 299. Frankfurter Allgemeiner Zeitung.

Gegen den Hauptstrom

Marina Goshkieva im Kaisersaal

Wettbewerbe sind doch besser als ihr Ruf. Wie wäre es sonst denkbar, daß Marina Goshkieva mit einer Spielweise Erfolg hat, die auf spektakulären Beifall bewußt ver­zichtet, ganz auf den Komponisten hin ge­richtet ist? Freilich hebt sich die 22 Jahre alte Pianistin, die am Konservatorium in St. Petersburg studiert, gerade durch diese Unaufdringlichkeit aus der Flut geltungsbe­dürftiger Talente wohltuend heraus.

Auch beim Soloabend im Kaisersaal des Römer eroberte sie ihr Publikum durch die Konsequenz, mit der sie die Auf­merksamkeit ganz auf das jeweilige Werk lenkte. Mit den kostbaren Miniaturen der sechs Moments Musicaux Schuberts gab sie eine Richtung vor, die sie den ganzen Abend nicht aus den Augen verlor, nicht in den subtilen Metamorphosen der spä­ten As-Dur-Sonate Beethovens, nicht in den abenteuerlichen Modulationen von Chopins Polonaise-Fantaisie. Selbst Skrja­bins Sonate Nr. 5 gehorchte diesem Kon­zept, mochte es weder an der „phantastischen Trunkenheit”, die der Komponist am ekstatischen Höhepunkt mehrfach for-dert, noch an Überschwang fehlen. Ein Hauch von Poesie genügte, um der Go? del der „Barcarolle” Chopins den We? durch die nächtliche Lagunenstadt zu bal?nen.

Nie bedrängt die Pianistin ihr Publikum durch überwältigende Klangmassierung Höhepunkte setzt sie ebenso sparsam wie gezielt, besonders wirkungsvoll bei Cho-pin nach dem langen Anlauf. Beethovens dynamische Aufschwünge und Abbrüche deutet sie oft nur an, doch bei Schubert fühlt sie sich ganz zu Hause. Da könnte sich glückliche Aufgaben stellen.       G.S.          


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FRÄNKISCHE LANDESZEITUNG-FRÄNKISCHER ANZEIGER VOM 16.03.2011

Kulturkritik: Klaviermusik im Schloss

Reife Leistung

HABELSEE- Marina Goshkieva, eine junge aus St. Petersburg stammende Pianistin, war der Gast bei der Matinee auf Schloss Habelsee.

Eine ganze Reihe internationaler Wettbewerbspreise hat sich die mittlerweile in Deutschland, Österreich und Russland konzertierende Pianistin erspielen können und man kann sich gut eine explosive Ausdehnung auf das internationale Parkett vorstellen, obwohl oder vielleicht gerade, weil sie sich abhebt vom derzeitigen Standard des – manchmal ziemlich aufgesetzten – Bemühens um konkurrenzliche Abgrenzung durch Pseudooriginalität und gestalteri­schem Anders sein.

Was Goshkieva einbringt, ist eine künstlerische Wahrhaftigkeit der sich wohl niemand entziehen kann. Fast unnötig über ihre technische Meisterschaft oder Virtuosität zu sprechen, deren wie leichtfüßig umgesetzte Perfektion sie in die Liste der ganz großen Pia-nist(inn)en einreiht. Wohl aber darüber, wie sie dieses Können künstlerisch einsetzt. Und das ist ausnahmslos von beinahe philosophischer Deutung, musikalischer Expression, musiksprachlicher Gestaltung und dramaturgischer Empfindsamkeit – der ein Lächeln nicht fehlt – beherrscht.

Da wird dann Joseph Haydns große „Sonate c-moll” (Hob. XVI/20) zu einem der Beethovenschen „Pathetique” gleichberechtigtem Werk. Nur Anders, denn die Schwere der Haydnschen Nachdenklichkeiten in diesemWerk, denen sie in ihrer Interpretation nachspürt, bindet sie in klare Artikulation und gibt ihr Anschlags- und Klangtechnisch etwas von jener klassischen Leichtigkeit des Seins, der der verminderte Dominantseptakkord die höchste dramatische Ausdrucks­stufe bedeutet Weich, hingebend, sängerisch spielt sie danach die Liszt-sche Bearbeitung des Schubertschen „Wohin” aus der „schönen Müllerin”, und erliegt nicht der Versuchung die umspielenden Zutaten Liszts zum Eigenwert zu stilisieren. Seine Bearbeitung des „Erlkönig” wird zur großen dramatische Szene mit feiner Zeichnung der unterschiedlichen Stimmungslagen und in der Klavierübertragung der Wagnerszene „Isoldes Liebestod” regt sie farbenreich Assoziationen an romantisch prächtige frühe Bayreuther Bühnenbilder an. Keine Note ist bei Goshkieva Nebensache, kein Ton der nicht in seinen sprachlichen und kompositionsgedanklichen Zusammenhang gestefit wäre. Dazu verfügt sie über eine elastische Anschlags- und Pedalkultur die sie im Dienste einer umfangreichen Klangpalette einsetzt. Nur so kann es kommen, dass im „Czárdás obstiné” von Franz Liszt der französische Esprit Jacques Iberts schmunzelnd um die Ecke schaut.

Bei solchen Präliminarien im Programm durfte man auf die „Sonata h-moll”, das umfangreichste und bedeutendste Klavierwerk von Liszt besonders gespannt sein. „Die große Anlage der Sonate ist nicht sogleich zu überblicken, weil oft ganz verschiedene Welten zusammenhanglos nebeneinander zustehen scheinen; und doch ist alles innerlich verbunden …” formuliert ein Klaviermusikführer. Doch Stopp, der Verfasser dieses Satzes kannte die Goshkieva’sche Darstellung nicht. Bei ihr wird alles Mar. Sie versteht es die verbindenden Grundmotive wirklich als thematischen Überbau herauszuarbeiten und mit äußerster Plastizität zur Sprache zu bringen.

Als klaren Gedankengang erlebt man das Riesenwerk und versteht an diesem Handlauf die aufwallenden Hochgänge wie die träumerischen Tiefen der einsätzigen Komposition. Da geht keine Formulierung, kein Tongedanke verloren. Eine lebensbereichernde Begegnung in einem Ausnahmekonzert. — Den Namen Marina Goshkieva wird man sich merkenmüssen.           Wgp          


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Meisterhafte Interpretationen von Marina Goshkieva im Hohhaus

Donnernder Applaus für reife und virtuose Chopin-Darbietungen Von Martin Krauss

LAUTERBACH. Es stürmte und reg­nete, und daran lag es wohl, dass im Rokokosaal des Hohhauses ein paar Stüh­le leer blieben. Dem herzlichen Empfang für die 22-jährige, in Leningrad geborene Pianistin Marina Goshkieva tat dies kei­nen Abbruch. Sie zählt sicher noch nicht zu den ganz großen Namen, obgleich sie schon mehrere bedeutende Preise gewon­nen hat. Derzeit nimmt sie in Weimar an einem Meisterkurs teil.

Auf ihrem Programm standen berühm­te und bekannte Werke, was von Mut und Unbefangenheit zeugt, da man diese na­türlich aus Einspielungen der besten Pia­nisten kennt. Um damit bestehen zu können, muss ein Künstler entweder ebenso gut sein, oder einen ganz eigenen Weg der Interpretation finden. Marina Gshkievas Spiel war nicht revolutionär, aber doch hinreichend eigenständig und virtuos, um das Publikum mehr als zufrie­den stellen zu können. Mit ihrer Art spielte sie sich schnell in die Herzen der Zuhörer.

Wolfgang-Amadeus Mozarts (1756 bis 1791) Variationen D-Dur KV 573 legte Goshkieva entschlossen, kraftvoll, dabei elegant und subtil akzentuierend an, mit exquisit sparsam eingesetztem Pedal. Trotz eines marginales. Patzers in der linken Hand gelang die schwierige, rhyth­mische Gestaltung der Komposition meisterhaft. Die Variationen verlangen eine inividuelle Farbgebung, zumal sie freilich nicht für den Konzertflügel kom­poniert wurden und nicht so leicht zum Leben zu erwecken sind. Dies aber gelang Marina Goshkieva souverän.

Sechs Stücke aus dem op. 94 des Franz Schubert (1797 bis 1828), den berühmten „Moments musicaux”, zeigten die Pianis­tin mit ganz anderem, wandlungsfähigen Duktus. Das erste Moderato legte sie gedämpft und verhalten an, nahezu lapi­dar im Ausdruck, dabei aber manchmalleider auch etwas eckig. Beeindruckend aber dann im Andantino die Bandbreite zwischen extremer Schwermut und sehr feinem, sehr zartem Spiel. Mit ihrem reifen Interpretationsvermögen gelang es Goshkieva, selbst die seelischen Abgrün­de, die Bedrängnis, die Kälte und das gleichsam Schwarze in Schuberts Kom­positionen hautnah zu vermitteln.

Goshkievas größte Stärke jedoch liegt offenbar in der Interpretation eines Kom­ponisten,, von dem sie gleich zwei Werke im Programm hatte und auch die beiden Zugaben aus seinem Werk wählte. Das Publikum erlebte hervorragende und tief­greifende, virtuose und äußerst kunstvolle Auslegungen von Frederic Chopin, die ohne alle Abstriche meisterlich zu nennen waren. Sowohl bei der Ballade, f-moll op.

52 als auch der Polonaise-Fantasie As-Dur op. 61 gelang es der Künstlerin, jede Bewegung auszuformulieren, trotz unge­bremsten, rhythmisch sicheren und kom­petent phrasierten Spiels. Das fein Versonnene und Versponnene der Linien wurde dadurch präsent, der Körper der Komposition plastisch und das Werk auch in seinen mit atemberaubender Virtuosi­tät dargebotenen, rasanten Passagen gleichsam physisch erfahrbar und ein bewegendes Musikerlebnis.

Souverän und ausdrucksvoll gerieten ebenso die wechselvollen und spannen­den „Masken” op. 34 von Karol Szymanowski (1882 bis 1937). Enge traf da auf Weite in wild bewegter Linienführung, die von der Pianistin locker und mit großem Ernst, sicher und ausdrucksstark vorgetragen wurden.

Das Publikum genoss nicht nur die, exzellenten musikalischen Darbietungen sondern auch die ruhige, bescheidene und dabei selbstbewusst sichere, sympathi­sche Ausstrahlung der Pianistin und spen­dete langen, donnernden Applaus mit stehenden Ovationen, so dass Goshkieva zwei Mal an die Klaviatur zurückkehren musste.


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Nordbayerischer Kurier. Montag, 13. Juni 2005

Musik aus Leidenschaft

Pianistin Marina Goshkieva im Rokokosaal von Steingraeber BAYREUTH Von Sandra Blaß

Mit einem freundlichen Lächeln betritt sie den Rokokosaal. Sie setzt sich an den alten Flügel und schließt für einen Moment die Augen. Dann beginnt sie, voller Leidenschaft und Hingabe an die Musik: die junge Pianistin Marina Goshkieva, Studentin in der Klavier­klasse von Professor Arne Torger an der Hochschule für Musik Weimar. 1982 in Leningrad geboren, ist sie be­reits als Preisträgerin aus vielen inter­nationalen Wettbewerben hervorge­gangen und hat Konzerte in Russland, Deutschland und Polen gegeben.

So auch jetzt diesen Klavierabend in der Pianomanufaktur Steingraeber in der Reihe „Junge Meisterpianisten”, einem Projekt, das bereits seit mehre­ren Jahren in Zusammenarbeit mit namhaften Musikhochschulen besteht. Und Goshkieva taucht ganz in ihre Musik ein, vom ersten Ton der Sonate Nr. 31 in As-Dur von Ludwig van Beet­hoven bis zum letzten. Diese Leiden­schaft, gepaart mit einer unglaubli­chen Leichtigkeit, lässt auch so man­chen Zuhörer den Alltag um sich he­rum vergessen, um sich ganz den wun­derbaren Klängen des Klaviers hinzugeben. Doch nicht nur das: Die große Stilvielfalt – vom schnellen, dramati­schen Kopfsatz bis hin zum gesangli­chen Klagerezitativ – und nicht zuletzt die Schlussfuge des letzten Satzes er­fordern ein hohes Maß an Ausdruck und technischem Können. Über beides verfügt die junge Musikerin zweifels­ohne. Das war auch bei der vielschich­tigen c-Moll Sonate, D 958, von Franz Schubert zu spüren.

Bei diesem Spätwerk – Schubert hat es erst im September 1828, zwei Mo­nate vor seinem Tod geschrieben – ste­hen Dramatik und lyrischer Ton ne­beneinander. Es zeugt von anspruchs­voller Spieltechnik und Klangkultur, die dem Pianisten Schubert immer be­scheinigt wurden, trägt aber auch die für den Komponisten allzu typischen romantischen Züge. So hat Franz Liszt einmal geschrieben: „Fast lassest du die Größe deiner Meisterschaft verges­sen ob dem Zauber deines Gemüthes.” Und wer diese Sonate gehört hat, kann dies wohl nur bestätigen. Eingerahmt waren diese beiden Werke von Frede­ric Chopins Polonaise-Fantasie, op. 61, aus der Virtuosität und empfindsamer Farbreichtum sprechen – engagiert und mit technischem Können vorge­tragen.